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Länderbericht Québec
Maître Hugues Langlais/Rechtsanwalt Dr. Götz-Sebastian Hök
Vormerkung:
Diese Zusammenfassung wurde aus dem Originalbericht von Maître Hugues Langlais
(Québec) erarbeitet. Die Zusammenfassung enthält keine eigene Beurteilung der
Verhältnisse. Maßgeblich ist der Originalbericht.
I. Einleitung
Das kanadische Recht wird durch die Existenz zweier Rechtssysteme
charakterisiert,
·
das Bundesrecht
·
das Provinzrecht
Das Hypothekenrecht gehört zu den Rechtsmaterien, die der Regelung durch die
Provinzen vorbehalten ist. Das Recht von Québec unterscheidet sich maßgeblich
von den Rechtsordnungen der anderen kanadischen Provinzen. Während in den
anderen Provinzen das ”common law” vorherrscht, gilt in Québec das System des
”droit civil”. Grundlage des Zivilrechts ist der Code Civil du Québec (CCQ).
II. Grundstückspublizität
In Québec existieren zwei Register:
·
das Register der persönlichen Rechte
und für Fahrnis
·
das Register für Immobilien
Es wird ein amtliches Grundstücksregister geführt. In jedem Bezirk bestehen eine
Reihe von Katastern und Grundbüchern. Das Grundbuch wird nach Grundstücken
geführt. Aus dem Grundbuch lassen sich folgende Informationen entnehmen:
· die dinglichen Rechte
·
bestimmte andere Rechte, die
öffentlich zu machen sind
(z.B. Mietverhältnisse)
Mithin müssen der Verkauf einer Immobilie, die Begründung einer Dienstbarkeit,
die Übergang von Rechten an einen Erben und die Bestellung einer Hypothek im
Grundbuch eingetragen werden. Eine Hypothek besteht solange, bis sie im
Grundbuch gelöscht ist. Der Gläubiger muß die vollständige Zahlung der
besicherten Forderung quittieren, ohne weitere Zahlungen verlangen zu können.
Auch Verfügungsbeschränkungen sind grundbuchlich einzutragen. Akte, die im
Grundbuch eingetragen werden müssen, bedürfen grundsätzlich der notariellen
Beurkundung (vgl. Art. 9 Notargesetz). Nicht beurkundete Akte sind nichtig.
Grundbucheintragungen haben zwei Wirkungen: Die sog. ”opposabilité au tiers” und
rangwahrende Bedeutung.
Zur Eintragung kommen Rechte wie folgt:
· |
durch Vorlage des Entstehungsaktes
oder eines beglaubigten Auszuges des Entstehungsaktes |
· |
durch eine Zusammenfassung (sommaire),
die ein durch den Antragsteller gezeichnetes Dokument ist und verschiedene Angaben enthält (Datum, Ort,
Form des Aktes, Natur des Rechtes, die im Spiel befindliche Summe) |
· |
durch eine Anzeige, in
den Fällen, in denen dies das Gesetz vorsieht, z.B. im Falle der Erneuerung eines Rechts, das bereits im Register eingetragen
ist oder im Falle der Art. 2724, 2725 CCQ[2] |
III. Immobilien als
Kreditsicherheit
Der
Code Civil spricht von Vorzugsrechten, bestehend aus den sog. ”priorités” und
den Hypotheken. Zu den ”priorités” gehören z.B. die Gerichtsgebühren, Ausgaben
im öffentlichen Interesse, die Kaufpreisforderung des Verkäufers einer Sache,
Steuerforderungen[3]
etc.
Nicht alle Grundstückslasten müssen eingetragen werden (z.B. die Vorzugsrechte
in bezug auf die Grundsteuer).
Hypotheken sind entweder Legalhypotheken oder vertragliche Hypotheken. Die
gesetzlichen Hypotheken ergeben sich aus Art. 2724 CCQ (z.B. bei
Steuerforderungen, Forderungen von Bauunternehmen, Forderungen des Verwalters
von Wohnungseigentum, Forderungen, die aus einem Urteil herrühren). Vertragliche
Hypotheken beruhen auf dem Willen der Parteien. Sie bedürfen der notariellen
Beurkundung. Sie können auf Mobilien und Immobilien lasten. d.h. Hypotheken
können auf Grundstücken, auf den Mietzinsansprüchen einer Immobilie und auf
Schadensersatzansprüchen aus Versicherungsverträgen lasten. Es handelt sich
insoweit um dingliche Rechte. Im Recht von Québec unbekannt ist ein dem
leasehold vergleichbares Institut, das dem Mieter eine verdinglichte
Rechtsposition verleiht. Die Rechte des Mieters sind ausschließlich
schuldrechtlicher Natur. Das Nutzungsrecht kann mithin nicht hypothekarisch
belastet werden.
Hypotheken können auf einem einzigen Gut lasten oder einer Mehrheit von Gütern.
Es gibt auch sog. offene Hypotheken (hypothèque ouverte, Art. 2715 CCQ). Die
”hypothèque ouverte” entfaltet ihre Wirkungen erst mit der Schließung der
Hypothek durch den Gläubiger. Sie erfaßt auch solche Rechte, die der Schuldner
erst nach Vereinbarung der ”hypothèque ouverte” erwirbt.
Die Hypothek ist in Art. 2660 CCQ näher beschrieben. Es handelt sich um ein
dingliches Recht auf einem Gut, Mobilie oder Immobilie, das der Vollstreckung
einer Forderung gewidmet ist; sie verschafft dem Gläubiger das Recht, das Gut in
Besitz zu nehmen oder aus ihm Zahlung zu verlangen, es zu verkaufen oder es
verkaufen zu lassen und bevorzugt aus dem Verwertungserlös befriedigt zu werden.
Es handelt es sich also um ein dingliches Recht, das gegenüber dem jeweiligen
Eigentümer durchsetzbar ist und ein Vorzugsrecht begründet.
Hypotheken haben den Rang vom Tag ihrer Eintragung im Register. In einigen
Fällen können allerdings andere Faktoren ausschlaggebend sein.
Die hypothekarisch besicherte Forderung ist abtretbar. Die Abtretung wird im
Grundbuch vermerkt. Zulässig sind auch Rangvereinbarungen und die subrogation.
Der Hypothekenkredit unterfällt verbraucherschützenden Regelungen. Der Schutz
kommt privaten Darlehensnehmern zugute. Der Darlehensnehmer kann den Kredit
vorzeitig tilgen, wenn er eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren hat. Die
Tilgung darf erst nach Ablauf der Bindungszeit von fünf Jahren erfolgen und ist
abhängig von einer besonderen Zinszahlung für drei Monate.
Exkurs: In den anderen kanadischen Provinzen existieren andere Sicherungsrechte,
wie die mortgage des common law (allerdings erheblich durch die equity
verändert) und die charge (ein Schöpfung des Gesetzgebers in Ontario). In
Alberta, Manitoba, New Brunswick, Saskatchewan, Yukon und North-West Territories
gibt es eine besondere Art der Hypothek. Zwischen der Hypothek und der charge
besteht im ”common law” ein erheblicher Unterschied, denn die Hypothek
verschafft dem Gläubiger Eigentum am Grundstück, während die charge wie eine
Hypothek des droit civil lediglich ein Sicherungsrecht ist. Mit der
Hypothekenbestellung wird mithin der Sicherungsgeber enteignet. Die
Rechtsprechung räumt dem Sicherungsgeber aber ein Rückerwerbsrecht ein. Dieses
Recht hat fundamentale Bedeutung und die Rechtsprechung versucht stets, es zu
schützen. Der Schuldner kann das Recht bei Fälligkeit der Forderung ausüben,
wenn er die Forderung begleicht. Die Einzelheiten der Ausübung des Rechts sind
geringfügig unterschiedlich, je nach dem ob die Forderung überfällig wird oder
nicht. Jedenfalls macht es diese Konstruktion unnötig, ein
Zwangsvollstreckungsverfahren zu betreiben. Er kann sich damit begnügen, das
Rückerwerbsrecht des Schuldners auszuschließen. In diesem Verfahren kann
wiederum der Schuldner fristgebunden versuchen, das Rückerwerbsrecht geltend zu
machen. Im übrigen kann der Gläubiger die persönliche Forderung titulieren
lassen und den Verkauf der Immobilie betreiben.
IV. Grenzüberschreitende
Kredite
Grundsätzlich ist es möglich, auf einen Vertrag unterschiedliche Rechtsordnungen
anzuwenden (dépecage). Art. 3097 CCQ bestimmt, daß auf dingliche Rechte die lex
rei sitae anzuwenden ist. Auf Hypotheken, die auf Grundstücken im Gebiet von
Québec lasten, findet in Ansehung der Entstehungsvoraussetzungen und der
Publizität das Recht von Québec Anwendung. Die Eintragung von Hypotheken in
ausländischer Währung ist unzulässig. Soweit vorgeschrieben ist, daß ein Akt der
notariellen Beurkundung bedarf, muß die Beurkundung vor einem Notar stattfinden,
der in Québec zugelassen ist (vgl. Art. 9 Notargesetz).
Gelegentlich kommt es bei größeren Investitionsvorhaben vor, daß der Gläubiger
über die in Québec vorgesehenen Sicherungen hinaus (also Hypothek am Grundstück,
an den Mieterträgen und den Versicherungsentschädigungen) weitere Sicherheiten
begehrt. Will z.B. ein in Ontario ansässiges Unternehmen in Québec investieren,
kann es zunächst die vorbezeichneten Sicherheiten an der Immobilie in Québec
bestellen. Will er weiterhin Sicherheiten an anderen Immobilien haben, die der
Schuldner in Ontario nutzt, kann dies nur nach den dort vorgebenen Modalitäten
erfolgen. In Québec etwa wäre die Besicherung von Nutzungsrechten nicht möglich.
In Ontario hingegen können Nutzungsrechte als ”leasehold” ausgestaltet sein und
belastbar sein.
Gemäß Art. 3103 CCQ kann auch eine im ”Ausland” belegene Mobilie hypothekarisch
belastet werden, muß jedoch dann innerhalb von dreißig Tagen nach Québec
gelangen, damit die in Québec hergestellte Publizität wirksam bleibt.
V. Zwangsverwertung
Die Verfolgung einer Forderung kann durch Zwangsvollstreckung erfolgen. Der
Gläubiger kann das Vermögen des Schuldners pfänden, es veräussern lassen und
sich den Preis ausbezahlen lassen. Der Hypothekengläubiger kann die Immobilie in
Besitz nehmen, um sie zu verwalten, um sie in Zahlung zu nehmen oder um sie im
Wege der Zwangsversteigerung oder des freihändigen Verkaufs zu verwerten. In der
Insolvenz werden Hypothekengläubiger bevorzugt. Anhängige
Vollstreckungsverfahren können fortgesetzt werden. Ein Ausnahme besteht: Der
Insolvenzverwalter kann die Einstellung des Verfahrens beantragen, um die
Immobilie bewerten (zu lassen) und ggf. aufkaufen zu können (Banque nationale du
Canada v. Restaurant Ocean Drive Inc.., [1998]R.J.Q.30(C.A.)). Ist die
Einzelzwangsvollstreckung noch nicht eingeleitet, ist eine Verwertung
ausgeschlossen, es sei denn der Gläubiger hat bereits den Besitz an der
Immobilie erlangt. Helfen kann nur eine Anzeige nach Art. 244 Insolvenzgesetz,
die rechtzeitig vor Eingang des Insolvenzantrages erfolgt. Alternativ besteht
die Möglichkeit, die Einsetzung eines vorläufigen Verwalter zu beantragen.
Bei der Zwangsverwertung muß der Gläubiger die Interessen des Schuldners wahren.
Pflichtverletzungen können eine Haftung nach sich ziehen.
Überblick zur Zwangsverwertung:
Art der Inanspruchnahme |
Antragsteller |
Folgen |
Inbesitznahme zum Zwecke der Verwaltung, Art. 2773 CCQ |
Hypothekengläubiger |
Andere Anträge sind nicht mehr möglich |
Verkauf durch den Gläubiger, Art. 2784 CCQ, entweder
Freihändig
Nach Ausschreibung
Durch Versteigerung |
Hypothekengläubiger gegenüber Unternehmen, nicht gegenüber Verbrauchern |
Bringt nachrangige Hypotheken und die Hypothek des Gläubigers zum
Erlöschen. Der Erlös dient der Befriedigung der Gläubiger mit besserem
Rang und der Befriedigung des betreibenden Gläubigers |
Verkauf unter Kontrolle der Justiz. Das Gericht bestimmt eine Person,
die die Veräusserung vollzieht, entweder
Freihändig
Nach Ausschreibung
Durch Versteigerung |
Jeder Gläubiger |
Der Verkauf kann nicht zu Lasten der bestehenden Hypotheken erfolgen,
bringt aber (andere) dingliche Rechte zum Erlöschen. Der
Hypothekengläubiger behält das Recht, wegen nicht befriedigter
Forderungsteile weiter gegen den Schuldner vorzugehen. Der
Hypothekengläubiger kann die Immobilie erwerben |
Inzahlungnahme |
Jeder Hypothekengläubiger |
Die Hypothek nebst Hauptforderung erlöschen. Nachrangige Hypotheken
erlöschen |
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